Welche Adipositas-Klinik ist die beste (für mich)?
Wer versucht, z. B. bei Facebook oder in Foren Informationen darüber zu finden, welches die beste Adipositas-Klinik ist, um sich operieren zu lassen, findet viele Antworten. In den meisten Fällen bekommt man zu lesen: „Ich war bei Dr. Soundso und der ist der beste!“ oder „Nur die Sowieso-Klinik, die sind toll!„. Andere schreiben: „Nie wieder XY-Krankenhaus. Das war die Hölle!„.
Aber woran erkennt man eigentlich, ob ein Adipositas-Zentrum gut ist? Selten werden objektive Kriterien genannt, nach denen man sich entscheiden kann, wo man eigentlich operiert werden sollte.
Die Tatsache, dass jemand die Operation überlebt hat, ist schon mal kein Qualitätskriterium. Das ist der Normalfall. Auch wie viel jemand nach der Operation abgenommen hat, hilft nicht weiter. Dazu sind Menschen einfach zu unterschiedlich. Und wenn die Nachtschwester schlechte Laune hatte, ist es auch nicht vernünftig, das entsprechende Krankenhaus für die nächsten 3 Generationen zum Sperrgebiet zu erklären.
Ich habe hier mal versucht, so viele objektive Kriterien aufzulisten wie möglich, nach denen man sich richten kann, wenn man auf der Suche nach einem guten Adipositas-Zentrum ist:
-
Nähe zum Wohnort
- Es sollte nicht unterschätzt werden, wie wichtig die Nähe zum eigenen Wohnort ist! Im Rahmen der Vorbereitung und der Nachsorge müssen Sie oft in das entsprechende Krankenhaus fahren. Während des stationären Aufenthaltes möchten Sie sicherlich auch Besuch bekommen und diesem keine 300 km Anfahrt zumuten. Sich in Süddeutschland (oder noch besser: Im Ausland) operieren zu lassen und sich dann in Norddeutschland eine Klinik für die Nachsorge zu suchen ist auch keine gute Idee: Die Nachsorge wird von den Krankenkassen nicht bezahlt (auch wenn sie zur Bedingung für die Kostenübernahme gemacht wird). Das bedeutet, die Nachsorge ist in den meisten Fällen eine reine Serviceleistung und natürlich auch eine Erfolgskontrolle für die Operateure. Das ist sowieso unwirtschaftlich und wird als noch unangenehmer empfunden, wenn der jeweilige Patient noch nicht mal im Hause operiert worden ist.
Auch sollten Sie daran denken, dass es im Falle von (sehr seltenen) Komplikationen nach dem Eingriff gut ist, diejenigen in der Nähe zu haben, die Sie auch kennen. -
Erfahrung
- Die Erfahrung eines jeweiligen Adipositas-Zentrums heraus zu bekommen, ist schon etwas schwieriger. Aber es gibt ganz gute Hinweise:
- Zertifizierte Zentren: Um zertifiziert zu werden, muss ein Adipositas-Zentrum nachweisen, dass sie mindestens zwei Jahre hinter einander mindestens 50 Operationen im Jahr durchgeführt haben. Auch wird die Qualität der Vorbereitung, der Durchführung der Operation und der Nachsorge überprüft. Es wird auch Wert auf eine vernünftige Ausstattung des Krankenhauses und ein ausreichend großes Team gelegt. All das wurde überprüft, wenn sich ein Krankenhaus „zertifiziertes Kompetenzzentrum für Adipositas- und metabolische Chirurgie“ nennen darf. Zurzeit (April 2018) gibt es 56 solche Zentren mit drei verschiedenen Stufen (Kompetenzzentrum, Referenzzentrum, Exzellenzzentrum). Eine Liste der zertifizierten Zentren in Deutschland finden Sie auf hier. Es gibt aber auch jede Menge nicht zertifizierter Kliniken, die dennoch all diese Vorgaben erfüllen. Die Zertifizierung an sich ist sehr aufwendig und sehr teuer. Da konzentrieren sich viel Kliniken lieber auf die eigentliche Arbeit und lassen die Zertifizierung weg.
-
- Keine one-man- (oder -woman-) Show
Die Adipositas-Chirurgie ist nichts, was rein von den chirurgischen Fähigkeiten einer einzelnen Person abhängig ist. Sie funktioniert nur in einem Team, das aus verschiedenen Fachgebieten besteht (multidisziplinär). Dazu gehören Internisten, Psychologen oder Psychiater, Ernährungsmediziner und -Berater und ein ganzes organisatorisches Umfeld, das eine Person alleine nicht bewerkstelligen kann. Schauen Sie sich in der Klinik um: Gibt es Hinweise darauf, dass die Adipositaschirurgie Teil der Klinik ist (Ausschilderungen, Ausstattung)? Gibt es mehr, als einen Ansprechpartner? - Ausstattung
Wenn Sie in der Klinik sind, ist die Adipositas-Sprechstunde gut ausgeschildert? Finden Sie Spezialstühle in Wartebereichen und Behandlungsräumen? Gibt es eine Waage mit hoher Traglast? Passt die Blutdruckmanschette nicht um den Oberarm? Das Fehlen einer solchen Ausstattung sollte einem zu denken geben. Nicht nur spricht es dafür, dass die Adipositas-Chirurgie nur ein Nebenschauplatz ist, es kann auch geradezu gefährlich werden, wenn Stühle nicht halten oder sogar Betten zusammenbrechen. - Selbsthilfegruppe
Ohne Selbsthilfegruppe (SHG) geht es eigentlich nicht: Hier treffen sich operierte und noch nicht operierte Patientinnen und Patienten und tauschen sich über ihre persönlichen Erfahrungen aus. Hier können Sie am ehesten erfahren, welchen Eindruck die Patienten von der jeweiligen Klinik haben. Aber Vorsicht: Auch hier bekommen Sie nur sehr subjektive Meinungen zu hören! Die Allerwenigsten haben verschiedene Kliniken ausprobiert und können vergleichen. Fragen Sie nach: Wurden die Patienten gut vorbereitet? Haben Sie Informationsmaterial mit nach Hause bekommen? Gibt es eine Notrufnummer (Patientenausweis)? Eine gute Organisation der Klinik spricht für eine große Erfahrung. - Checken Sie die Webseiten
Finden Sie auf der Webseite der Abteilung die Informationen, die Sie suchen? Finden Sie überhaupt eine Webseite der Abteilung? Gibt es feste Sprechstunden für die Adipositas-Chirurgie? Und Ansprechpartner? Und werden Informationsveranstaltungen angekündigt? Auch das spricht für eine vernünftige Organisation und dafür, dass die Chirurgie des Übergewichts ernst genommen wird.
- Keine one-man- (oder -woman-) Show
-
Was machen die sonst so?
- Adipositas-Chirurgie ist Schlüsselloch-Chirurgie. Nahezu alle Eingriffe werden laparoskopisch gemacht. Das bedeutet, dass über kleine Zugänge mit Instrumenten im Bauch operiert wird. Wer das macht, sollte das auch können. Es sollte also noch andere Operation im Angebot geben, die in dieser Technik durchgeführt werden. Auch sollte die Chirurgie des Magens zum Beispiel in Form von Operationen bei Sodbrennen oder auch der Behandlung von Magenkrebs im Angebot sein.
-
Gibt es eine strukturierte Behandlung?
- Wird Ihnen von Anfang an ein zeitlicher Ablauf genannt? Bekommen Sie Checklisten an die Hand? Gibt es Informationsmaterial zum Mitnehmen?
Eine gute Organisation ist daran zu erkennen, dass Abläufe schriftlich niedergelegt sind. Das wird nicht nur im Rahmen der Zertifizierung gefordert, das ist auch wichtig, um den Überblick nicht zu verlieren. Und wenn es eine solche schriftliche Dokumentation gibt, dann ist es auch ein Leichtes, die Patienten davon profitieren zu lassen. Das können Checklisten sein oder Ernährungspläne. Auch ein fester Ablauf für die Nachsorgeuntersuchungen ist wichtig. Sie sollten zu jedem Zeitpunkt der Behandlung wissen, was als nächstes auf Sie zukommt oder zu erledigen ist. Und wenn Sie das mal nicht wissen, sollten Sie wenigstens wissen, wo Sie nachfragen können. -
Fragen Sie!
- Tatsächlich ist es erlaubt, in der Sprechstunde Fragen zu stellen! Gezielte Fragen bedeuten, dass Sie sich vorbereitet haben und dafür wird Ihr gegenüber dankbar sein. Hier ein paar Vorschläge (und typische Fragen aus den Sprechstunden):
- Seit wann bieten Sie bariatrische Operationen an?
Im Idealfall können Sie das schon auf der Webseite der Klinik sehen. Wenn eine Klinik gerade erst anfängt, dann kann natürlich die Erfahrung noch nicht so groß sein. Das wiederum bedeutet nicht gleich, dass man dort schlecht behandelt wird. Jeder hat mal mit kleinen Zahlen angefangen. Aber die Tatsache, dass man gerade dabei ist, eine Adipostias-Chirurgie einzuführen sollte deutlich kommuniziert werden. Heimlichtuerei macht skeptisch. - Wie viele Operationen machen Sie pro Jahr?
Ein zertifiziertes Zentrum muss mindestens 50 Operationen pro Jahr anbieten. Aber auch hier gilt: Jeder hat mal angefangen. Aus der Antwort sollte hervorgehen, dass es sich bei der Adipositas-Chirurgie nicht um einen Versuch handelt, um mal zu sehen, wie das so klappt. - Wie viele Operateure gibt es?
Wie schon geschrieben, sollte es sich nicht um eine one-man-show handeln. Mehrere Operateure bedeuten, dass im Falle einer Komplikation immer jemand erreichbar ist, der weiß was zu tun ist, auch in der Urlaubszeit. In einem zertifizierten Zentrum muss es mindestens zwei Operateure geben. - Welche Operationsverfahren bieten Sie an?
Auch hier kann man wieder in die Zertifizierungsrichtlinien gucken: Mindestens zwei verschiedene Operationsverfahren (z. B. Schlauchmagen und Magenbypass-Operation) sollten beherrscht werden. Es sollte aber auch ein Konzept für Zweiteingriffe geben, die notwendig werden, wenn nach einer Operation das Gewicht zum Beispiel deutlich zurück gegangen ist, aber immer noch zu hoch ist (Zwei-Schritt-Verfahren). Oder wenn das Gewicht nach ein paar Jahren wieder ansteigt?
- Seit wann bieten Sie bariatrische Operationen an?
-
Vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl
- Fühlen Sie sich gut aufgehoben? Gibt es einen festen Ansprechpartner? Hört man sich Ihre Wünsche und Vorstellungen an? Oder haben sie das Gefühl in eine Verkaufsveranstaltung geraten zu sein? Fühlen Sie sich überrumpelt und wissen gar nicht, wer für Sie zuständig ist? All das kann ein Hinweis darauf sein, ob Sie am richtigen Ort sind. Fragen Sie auch sich selber: Fühle ich mich wohler in der Universitätsklinik mit Maximalversorgung wo ich weiß, dass der gesamte Apparat der modernen Medizin um mich herum ist, oder geht es mir besser in der spezialisierten Klinik in der ich Leute treffe, die mich kennen und in der ich mich auf dem Weg zur Sprechstunde nicht gleich verlaufe.
Ach ja: Was ist mit Online-Bewertungen und der Focus-Ärzteliste?
Bei den Onlinebewertungs-Portalen muss man wissen, dass die Urteile sehr subjektiv sind und dass die Liste durch Bezahlung beeinflusst werden kann. Wer z. B. bei Jameda unter der Postleitzahl „21423“ (das ist die PLZ des Adipositaszentrums in Winsen) nach „Adipositas-Chirurgie“ sucht, wird nach Hamburg-Eilbek verwiesen. Das liegt 50 km entfernt. Zur berühmten Focus-Ärzteliste hat sich jemand hier Gedanken gemacht.
Ich hoffe, hier ein paar Hilfestellungen gegeben zu haben, die bei der Auswahl eines Behandlungszentrums helfen können. Klar sollte sein, dass es die „beste Adipositas-Klinik“ nicht gibt. Es hängt auch viel von den eigenen Vorstellungen und Wünschen für die Behandlung ab. Haben Sie noch andere Punkte, die Sie für wichtig halten? Schreiben Sie einen Kommentar und lassen Sie andere von Ihren Erfahrungen profitieren!
Entdecke mehr von Adipositaszentrum Deutschland
Subscribe to get the latest posts sent to your email.
Pingback: OP Abgelehnt - was nun?
Pingback: Genehmigung: Welche Krankenkasse ist die beste...