Kann ich den OP-Ausweis dafür benutzen, im Restaurant kleine Portionen zu bestellen?
Kurz vor Beginn der letzten Sommerferien fuhr ich mit meinem Sohn im Auto durch die Stadt. Plötzlich sagt mein Sohn: „Da liegt jemand auf dem Bürgersteig“. Tatsächlich lag da eine Frau auf der Straße und Passanten liefen zusammen, um ihre Hilfe anzubieten. Ich stieg aus meinem Auto aus und kniete mich neben die Frau. Sie war wach, aber wirkte etwas verwirrt und müde. Sie zeigte auf ihre Handtasche und sagte, ich sollte in ihr Portemonnaie schauen. Dort fand ich eine kleine rote Karte, die mir sehr bekannt vorkam. Es handelte sich um einen sogenannten „Notfallpass Adipositaschirurgie“. So wusste ich sofort, dass ich nach einer Zuckerkrankheit fragen musste, was die Patienten bejahte und konnte dem Rettungsdienst Hinweise auf die Besonderheiten bei dieser Patientin geben. Der Frau konnte geholfen werden.
In den meisten Adipositaszentren ist es üblich, dass Patienten zur Entlassung einen Ausweis bekommen. Dieser Ausweis enthält neben den wichtigsten Kontaktdaten auch Hinweise zur Art der durchgeführten Operation. Das kann wichtig sein, wenn z. B. ein neues Medikament verordnet werden soll oder, wenn eine Behandlung in einem anderen Krankenhaus als den Adipositaszentrum durchgeführt werden soll. Die Kollegen wissen so, was für anatomische Veränderungen durchgeführt worden sind und haben immer auch eine Kontaktnummer, wenn es mal Rückfragen gibt. Auch kann in einem Notfall ein Mitarbeiter des Rettungsdienstes anhand des Ausweises erkennen, dass es vielleicht sinnvoll sein kann, den Patienten nicht ins nächst-beste Krankenhaus zu bringen, sondern vielleicht in ein Haus, das sich mit bariatrischen Operationen auskennt.
Da die bariatrische Chirurgie aber den Kinderschuhen entwachsen ist und es sich bei den durchgeführten Eingriffen inzwischen um Standardeingriffe handelt, wissen die meisten Therapeuten Bescheid, wenn ihnen zum Beispiel gesagt wird „bei mir ist übrigens vor zwei Jahren ein Magenbypass angelegt worden.“. Die Karte ist inzwischen weniger ein „Notfallpass“ und mehr eine „Informationskarte“ geworden. Dies ist einer der Gründe, warum wir seit ein paar Jahren einen selbst gestalteten Ausweis benutzen.
Dennoch legen viele Patienten Wert darauf, eine solche Karte zu bekommen. Es schafft ja auch ein gewisses Gefühl der Sicherheit, wenn man weiß, auf dieser Karte steht alles, was man im Notfall wissen muss. Gerne wird dieser Ausweis genutzt, um z. B. in einem Restaurant zu begründen, warum man nur eine Kinderportion bestellen möchte. Allerdings nicht jedes Restaurant macht das auch mit und oft kommt die Frage auf „habe ich nach einer solchen Operation nicht eigentlich ein Recht auf kleine Portionen?“
Um es kurz zu machen: Nein!
Es liegt einzig im Ermessen des jeweiligen Restaurants, dieses Entgegenkommen zu zeigen. Der Ausweis ist kein Attest, das einen berechtigt „aus medizinischen Gründen“ halbe Portionen zu bestellen. Auch kann es eher unangemessen sein, in einem Restaurant über die eigene medizinische Vorgeschichte zu referieren. Die Operation ist eine persönliche Entscheidung und vor der Operation wäre ja auch niemand auf die Idee gekommen, mehr zu bezahlen, weil am Buffet 3000 kcal auf den Teller gepackt worden sind.
Es ist ja auch möglich, in ein Restaurant zu gehen, ohne viel Hunger zu haben oder, so wie meine Großmutter, sowieso immer nur fünf Happen zu essen und den Rest stehen zu lassen.
Es gibt dennoch Möglichkeiten, nicht jeden Restaurantbesuch zu einem Wegwerf-Festival werden zu lassen.
- Eine höfliche Frage nach einer halben Portion wird eigentlich auch immer höflich beantwortet. Wenn es in dem Restaurant nicht angeboten wird, dann wird das seinen Grund haben. Entweder ist die Art der Zubereitung nicht darauf eingerichtet, kleinere Portionen zu machen (und das Wegwerfen würde nur in den Küchenbereich verschoben werden) oder die Kalkulation der Speisen, bzw. das Kassensystem lässt eine solche individuelle Anpassung der Portionsgrößen nicht zu. Das kann ganz einfach steuerliche Gründe haben.
- Kaum ein Kellner wird negativ reagieren, wenn man sagt „Ich kann leider nicht so viel essen, würden Sie mir einfach einen kleinen Teller bringen, damit ich bei meinem Begleiter probieren kann?“. Sollte die Reaktion doch negativ ausfallen, dann ist es wohl das falsche Restaurant. Ausserdem sollte die Begleitung darauf vorbereitet sein… Vielleicht keine gute Idee für das erste Date 😉
- Man bestellt sich eine Vorspeise und bittet darum, diese zusammen mit den Hauptspeisen der Begleiter serviert zu bekommen.
- Ein Sandwich kann zu einem ausgewogenen und kleinen Mahl werden, wenn man es „Protein-Style“ bestellt: Man bittet höflich um einen zweiten Teller und trennt z. B. die Hühnchenstreifen und den Salat voneinander. Das Brot dienst als Beilage, wenn man noch hungrig ist.
- Oder man sucht sich ein besonderes Angebot aus der Karte heraus, freut sich einfach über einen schönen Abend in Gesellschaft und denkt daran, dass es genau das Ziel der Operation war, eben nicht mehr alles zu essen, was auf den Tisch kommt.
Man sollte übrigens auch nicht den Fehler machen, immer ein Kinderessen zu bestellen (wenn man dies überhaupt bekommt). Kinderessen bestehen fast immer aus Kohlehydraten (Nudeln) und Fett (Nuggets, Pommes) oder Zucker (Milchreis). Das entspricht nicht dem, was wir über ausgewogenes Essen gelernt haben.
Entdecke mehr von Adipositaszentrum Deutschland
Subscribe to get the latest posts sent to your email.
Oder man nimmt sich einfach eine Tupperdose mit
Hier noch ein Hinweis aus der Selbsthilfegruppe Winsen: Es gibt bei uns intern für unsere Mitglieder eine Liste mit Restaurants aus vielen verschiedenen Orten, bei denen wir problemlos einen Räuberteller erhalten können.
Bei mir klappt das eigentlich immer ganz gut mit dem „Räuberteller“ (also dem Extrateller). Bis auf ein einziges Mal und da war schnell die Entscheidung „da gehen wir nicht mehr hin“. Ansonsten klappt es auch, sich die Reste einpacken zu lassen. Mit ein bißchen Flexibilität und Improvisation geht das alles 🙂