Operation ohne Antrag
Wann kann eine Adipositas-Operation auch ohne Kostenübernahmeantrag durchgeführt werden?
Das größte Hindernis für eine Adipositas-Operation war und ist immer noch der Antrag auf Kostenübernahme, der vor dem Eingriff bei der Krankenkasse gestellt wird. Je nach Bundesland oder auch Laune des Gutachters kann es sein, dass trotz aller Vorarbeit ein solcher Kostenübernahmeantrag abgelehnt wird und man ratlos dasteht. Wenn das der Fall ist, gibt es verschiedene Wege, die doch zur gewünschten Operation führen. Einer davon ist die Operation ohne Antrag. Denn eigentlich ist der Antrag vor der Operation gar nicht notwendig…
Ein Blick in die Leitlinien
Die Leitlinien definieren Patienten, für die eine sogenannte „primäre Indikation“ besteht. Das sind Patienten, bei denen aus verschiedenen Gründen die Operation die einzige Möglichkeit ist abzunehmen oder gesund zu werden. Wörtlich heißt es in der „S3-Leitlinie: Chirurgie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen„:
„Unter bestimmten Umständen kann eine Primärindikation zu einem adipositaschirurgischen Eingriff gestellt werden, ohne dass vorher ein konservativer Therapieversuch erfolgte. Die Primärindikation kann gestellt werden, wenn eine der folgenden Bedingungen gegeben ist:
- bei Patienten mit einem BMI ≥ 50 kg/m²
- bei Patienten, bei denen ein konservativer Therapieversuch durch das multidisziplinäre Team als nicht erfolgversprechend bzw. aussichtslos eingestuft wurde
- bei Patienten mit besonderer Schwere von Begleit- und Folgeerkrankungen, die keinen Aufschub eines operativen Eingriffs erlauben„
Neue Entwicklungen!
Neu ist, dass die meisten Kliniken, die auf eine Antragstellung verzichten, dies jetzt schon bei Patienten mit einem BMI von über 40 kg/m² machen. Voraussetzung ist natürlich immer noch, dass das MMK vollständig absolviert wurde (s.u.). Es ist in den entsprechenden gesetzlichen Regelungen nämlich gar nicht vorgesehen, dass vor einem medizinischen Eingriff die Krankenkasse gefragt wird. Eigentlich stellt ein Arzt oder eine Ärztin die Notwendigkeit für einen solchen Eingriff fest und dokumentiert dies mit der Krankenhauseinweisung („Vertragsärztliche Verordnung von Krankenhausbehandlung“). Im Krankenhaus wird diese Indikationsstellung bestätigt und die Behandlung durchgeführt. Das Sozialgericht München hat 2015 festgestellt: „Unter keinem Rechtsgrund ergibt sich die Notwendigkeit, dass Versicherte bei stationärer Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit im Vorfeld einen Antrag bei der Beklagten (Anm.: Der Krankenkasse) stellen.“*
Die Krankenkassen kommen erst danach ins Spiel, wenn es nämlich darum geht, die Kosten zu bezahlen. Das können diese natürlich überprüfen und machen das auch. Darum muss die Vorbereitung auch gewissenhaft durchgeführt werden.
Wer operiert ohne Antrag?
Nicht alle Adipositaszentren operieren auch in den oben genannten Fällen schon ohne den Kostenübernahmeantrag. Die Einsicht, dass das Stellen eines Antrags eigentlich ein Vorgehen ist, für dass es in den entsprechenden gesetzlichen Regelungen überhaupt keine Grundlage gibt, setzt sich erst langsam durch. Viele Zentren haben aber auch gar keine schlechte Erfahrung mit dem Stellen von Anträgen gemacht und wollen daran nichts ändern („never change a running system“).
Allerdings ist es auch so, dass die ganze Betreuung der Patienten vor der Operation für die meisten Adipositas-Kliniken nicht abrechenbar ist. Es wird somit Personal gebunden ohne dass es dafür Geld gibt. Dies führt mehr und mehr dazu, dass die Kliniken die unnötigen Anträge wegfallen lassen.
Wenn Sie glauben, dass Sie für eine Operation ohne Antrag in Frage kommen, dann fragen Sie im Adipositaszentrum Ihrer Wahl nach, ob grundsätzlich auch ohne Antrag operiert wird.
Heißt das, ich kann mir die ganze Vorbereitung sparen?
Nein, dass heißt es nicht!
Die Bedingungen sind dieselben, wie mit Antragstellung. Nur prüft nicht mehr die Krankenkasse oder der MD die Anträge, sonder das Adipositaszentrum selber. In den meisten Fällen wird aber die notwendige Ernährungstherapie auf drei Monate vor dem Eingriff abgekürzt. Diese Vorbereitung ist auf jeden Fall notwendig, um mit den Veränderungen, die eine solche Operation mit sich bringt, klar zu kommen. Auch braucht es erfahrungsgemäß immer mindestens diese drei Monate, um die anderen notwendigen Unterlagen (Atteste, Laborwerte) zusammen zu sammeln.
Was ist, wenn ich trotzdem einen Antrag gestellt hatte und der abgelehnt worden ist?
Das spielt keine Rolle. Der Antrag, den Sie gestellt haben, hat nichts mit dem Krankenhaus zu tun. Wenn die Ärzte die Indikation für eine Operation ohne Antrag stellen, dann können sie diese Operation auch ohne Antrag durchführen. Den Antrag hat ja nicht das Krankenhaus gestellt, sondern Sie als Versicherte/r. Das ist auch der Fall, wenn Sie bereits gegen eine Ablehnung geklagt haben. Auch eine laufende Klage hat nichts mit der Möglichkeit zu tun, eine Operation ggf. ohne Antrag durchzuführen.
Und wer zahlt, wenn die Krankenkasse nach der Operation die Kostenübernahme ablehnt?
Sie haben mit der Rechnung nichts zu tun! Wenn die Krankenkasse nach der Operation nicht bezahlen will, dann muss sich das Krankenhaus darum kümmern, an das Geld zu kommen. Somit gehen die Krankenhäuser auch ein gewisses Risiko ein, wenn sie ohne Antrag operieren. Im Extremfall muss das Adipositaszentrum die Krankenkasse auf Bezahlung verklagen. Wenn das passiert, dann muss nachgewiesen werden können, dass die Vorbereitung auch entsprechend den Leitlinien durchgeführt wurde. Darum wird jedes Zentrum Wert darauf legen, dass Sie alle Bedingungen genau so erfüllen, als würden Sie einen Antrag stellen. Die Chancen, vor Gericht Recht zu bekommen sind allerdings relativ hoch!
Grundsätzlich setzt sich aber langsam durch, dass eine Operation ohne Antrag die Regel wird. Davon profitieren die Patienten, die Krankenhäuser und letztendlich auch die Krankenkassen durch den Wegfall eines teils der Verwaltungstätigkeiten.
*Sozialgericht München, Urteil vom 16.April 2015, Az. S 2 KR 974/14.
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