Sex hilft beim Abnehmen und andere Mythen, Vermutungen und Fakten zur Adipositas

Adipositas-Operation

Viele Überzeugungen über Fettleibigkeit bestehen als Vermutungen fort, auch wenn keine wissenschaftlichen Beweise vorliegen. Einige bleiben trotz widersprüchlicher Beweise als Mythen bestehen. Die Verbreitung nicht unterstützter Überzeugungen kann zu schlecht informierten politischen Entscheidungen und zu ungenauen Empfehlungen für die klinische und öffentliche Gesundheit führen. Auch lenken diese Vermutungen und Mythen gerne von tatsächlich hilfreichen Erkenntnissen ab und führen so in die irre. Das kostet Zeit und Geld und kann zu einer Frustration führen, die eine erfolgreiche Therapie des Übergewichtes behindert.

In einer bereits 2013 erschienenen Studie, die im renommierten „New England Journal of Medicine (NEJM)“ erschienen ist, wurden solche Vermutungen und Mythen untersucht und es wurden Fakten herausgearbeitet, die aufgrund der wissenschaftlichen Datenlage als gesichert gelten können. Wir haben den Artikel übersetzt und geben die wichtigsten Punkte wieder:

Mythen

Kleine anhaltende Änderungen der Energieaufnahme oder des Energieverbrauchs führen langfristig zu großen Gewichtsänderungen.

Studien, aus denen abgeleitet wurden, dass zum Beispiel eine Erhöhung des Energieverbrauches um täglich 100 kcal, indem man jeden Tag 1,5 km zu Fuß geht, zu einem Gewichtsverlust von 22,7 kg über fünf Jahre führen, haben sich als unzutreffend erwiesen. Tatsächlich beträgt der Gewichtsverlust in einem solchen Beispiel nur 4,5 kg. Und das auch nur, wenn die Energieaufnahme nicht gleichzeitig als Folge der größeren Belastung erhöht wird.

Das Setzen realistischer Ziele für den Gewichtsverlust ist wichtig, da die Patienten sonst frustriert werden und weniger Gewicht verlieren.

Klingt vernünftig, ist aber nicht so: In der Tat haben mehrere Studien gezeigt, dass ehrgeizigere Ziele manchmal mit besseren Ergebnissen beim Abnehmen verbunden sind. Darüber hinaus zeigten zwei Studien aber, dass das Ändern unrealistischer Ziele zwar zu realistischeren Erwartungen beim Abnehmen führten, die Ergebnisse jedoch nicht besser wurden.

Zu schnelles Abnehmen ist langfristig schlechter.

Eine Analyse mehrerer Studien, die sehr schnelle Gewichtsabnahmen durch sehr wenig Kalorienaufnahme mit einer langsameren Gewichtsabnahme durch eine weniger strenge Diät verglichen, zeigt zwar einen etwas größeren Gewichtsverlust im ersten Jahr nach der Diät, aber im weiteren Verlauf keinen Unterschied beim Abnehmen.

Je größer die Motivation zur Veränderung ist, desto besser sind die Ergebnisse.

Die Motivation zeigt sich alleine in der Tatsache, dass jemand sich in eine Behandlung zur Reduktion des Gewichtes begibt. Wie „groß“ diese Motivation dann tatsächlich ist, ist laut Studienlage nicht entscheidend dafür, wie das Ergebnis der Therapie ausfällt.

Sportunterricht spielt in seiner jetzigen Form eine wichtige Rolle bei der Reduzierung oder Verhinderung von Fettleibigkeit bei Kindern

Sportunterricht, so wie er aktuell in Schulen angeboten wird und angeboten werden kann, kann nicht Fettleibigkeit reduzieren oder verhindern. Die Ergebnisse von drei Studien, die sich auf eine längere Zeitspanne im Sportunterricht konzentrierten, zeigten, dass die Auswirkungen auf den Body-Mass-Index (BMI) bei verschiedenen Geschlechtern und Altersgruppen uneinheitlich waren, obwohl die Anzahl der Tage, an denen Kinder Sportunterricht besuchten, zunahm. Zwei Metaanalysen zeigten darüber hinaus, dass selbst spezielle schulische Programme zur Förderung körperlicher Aktivität keinen wirksamen Beitrag zur Senkung des BMI oder der Häufigkeit oder Prävalenz von Fettleibigkeit leisteten.

Stillen schützt vor Fettleibigkeit

Die WHO-Studie aus dem Jahr 2007, auf die diese Annahme zurückgeht, wurde inzwischen mehrfach überprüft. Es hat sich gezeigt, dass Stillen viele Gesundheitsvorteile hat, die Vermeidung von Übergewicht bei den Kindern gehört leider nicht dazu.

Sexuelle Aktivität verbrennt für jeden Teilnehmer 100 bis 300 kcal

Tatsächlich hat sich jemand die Mühe gemacht, mal genau nachzurechnen: Ein Mann mit einem Körpergewicht von 70 kg verbrennt beim Sex (in der Stimulations- und der Orgasmusphase) ca. 210 kcal pro Stunde. Diese Phase dauert aber im Schnitt nur ca. 6 Minuten, was dann einen Energieverbrauch von ca. 21 kcal entspricht. Zum Vergleich: Ein Ferrero Küsschen hat 57 kcal.

Vermutungen

Regelmäßiges Essen (im Gegensatz zum Auslassen einzelner Mahlzeiten) des Frühstücks schützt vor Fettleibigkeit.

Zwei Studien haben hier gezeigt, dass das Auslassen des Frühstücks keinen positiven Effekt auf das Gewicht hat. Was einen Effekt haben kann, ist die Zusammensetzung des Frühstücks.

Die frühe Kindheit ist die Zeit, in der wir Bewegung und Essgewohnheiten lernen, die unser Gewicht während des gesamten Lebens beeinflussen.

Es zeigt sich, dass der Mensch im Leben zwar dazu neigt, sich grundsätzlich in ähnlichen Bereichen auf der Perzentilenkurve zu befinden, dies allerdings deutlich mehr auf die Gene zurückzuführen ist, als auf erlernte Essgewohnheiten.

Ständige Veränderungen des Gewichts (Gewichts-Jo-Jo) ist mit einer erhöhten Mortalität verbunden.

Jo-Jo-Effekt

Wenn das Gewicht instabil ist und sich ständig ändert, dann kann hier eine andere gesundheitliche Ursache vorliegen, die tatsächlich zu einer erhöhten Mortalität (Sterblichkeit) führt. Studien mit Tieren haben aber gezeigt, dass das nicht am instabilen Gewicht, sondern an den zugrundeliegenden Begleiterkrankungen liegt.

Naschen trägt zu Gewichtszunahme und Fettleibigkeit bei.

Es ist bisher nicht gelungen einen echten wissenschaftlich belegten Zusammenhang zwischen häufigem Naschen und einer Gewichtszunahme zu erbringen.

Fakten

Als Fakten werden Informationen bezeichnet, die durch eine ausreichende Beweislage als bewiesen angesehen werden können.

Diäten, die die Kalorienaufnahme einschränken reduzieren das Gewicht sehr effektiv, funktionieren langfristig aber nicht.

Es hat sich gezeigt, dass eines der Probleme mit Diäten ist, dass sie in der Realität einfach nicht lange funktionieren. Nur die wenigsten schaffen es, alleine durch eine Diätmaßnahme, ein erhebliches Übergewicht zu reduzieren und dann auch zu halten. Das ist aber kein persönliches Versagen, sondern liegt an den Mechanismen, die der Körper aktiviert um gegen einen Gewichtsverlust anzugehen.

Unabhängig vom Körpergewicht oder Gewichtsverlust erhöht ein erhöhtes Maß an Bewegung die Gesundheit.

Der Einfluss von Bewegung auf das Gewicht wird gerne überschätzt, aber die Vorteile auch für Gesundheitsprobleme, die durch das Gewicht verursacht werden, ist nachgewiesen.

Körperliche Aktivität oder Bewegung in einer ausreichenden Dosis unterstützen die langfristige Gewichtserhaltung.

Starke Kinder

Insbesondere im Kindesalter ist körperliche Aktivität gut gegen Übergewicht. Hier reicht aber nicht alleine die Teilnahme, es muss auch eine deutliche körperliche Leistung abgefordert werden.

Wenn man etwas gefunden hat, dass den Gewichtsverlust ermöglicht dann muss diese Verhalten lebenslang beibehalten werden.

Übergewicht ist eine chronische Erkrankung. So wie manche Tabletten ein Leben lang eingenommen werden müssen, gilt dies auf für Diätmaßnahmen, die funktionieren.

Für übergewichtige Kinder fördern Programme, die die Eltern und die häusliche Umgebung einbeziehen, einen größeren Gewichtsverlust oder eine größere Aufrechterhaltung.

Programme, die nur in der Schule oder speziellen Einrichtungen (Sportvereinen) angeboten werden, können zwar bequemer oder politisch gewollt sein, aber Programme, die auch das häusliche Umfeld und die Eltern mit einbeziehen funktionieren deutlich besser.

Die Bereitstellung von Mahlzeiten und die Verwendung von Mahlzeitenersatzprodukten fördern einen größeren Gewichtsverlust.

Ein strukturiertes und kontrolliertes Bereitstellen von Mahlzeiten funktioniert besser, als ein Konzept, dass nur auf Selbstkontrolle basiert.

Einige pharmazeutische Wirkstoffe können Patienten dabei helfen, einen klinisch bedeutsamen Gewichtsverlust zu erzielen und die Reduktion aufrechtzuerhalten, solange die Wirkstoffe weiterhin verwendet werden.

Es ist immer noch das Ziel, über Veränderungen im Verhalten oder dem Umfeld das Körpergewicht positiv zu beeinflussen, aber dennoch gibt es aktuelle auch schon relativ effektive medikamentöse Therapien.

Bei geeigneten Patienten führt eine bariatrische Operation zu einem langfristigen Gewichtsverlust und einer Verringerung der Rate von Diabetes und Mortalität.

Adipositas-Operation

Für passende Patienten können Adipositas-Operationen eine Lebensverändernde – und manchmal auch Lebensrettende Behandlung darstellen

Quellen:

https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMsa1208051

https://www.ifb-adipositas.de/blog/2013-02-20-der-jo-jo-effekt-verkuerzt-das-leben-und-andere-mythen-zum-thema-adipositas


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